Update zu den Verhaftungen in Frankreich

Letzte Woche wurden in verschiedenen französischen Städten insegsamt 20 Personen verhaftet, von denen immer noch vier mit dem Vorwurd “terrorisctische Vereinigung” in U-Haft sitzen. Ihnen werden die Hakenkrallen auf TGV-Linien zugeschrieben, die in den Tagen vor dem deutsch-französischen Castor-Transport für große Verspätungen unter anderem auf den TGV– Eurostar und Thalys-Linien gesorgt hatten. Inzwischen wurde bekannt, dass die Gruppe, aus deren Kreis nun verhaftet wurde, schon seit längerem vom französischen Staatsschutz observiert wurde. Mit einiger Verblüffung entdecken die großen franzöischen Medien zwischen all der Terrorhetze, dass es auch heute Menschen gibt, die nach philosophischen, aktionistischen und praktischen Konsequenzen ihrer radikalen Kapitalismuskritik suchen und entsprechend umfangreich ist die Berichterstattung über “die Philosophen, die zu vielleicht zu Terroristen geworden sind” In den französischen Medien wird weiter viel über die Französischen Anarchos und Anarchas berichtet, die letzte Woche spektakulär wurden. Vier von ihnen sind nach wie vor in U-Haft, vier weitere unter strengen Auflagen auf freiem Fuß. Einer, Julien Coupat, steht als der von den Bullen zum Anführer erklärte, besonders im Fokus der Medien. Als “Philosoph mit brillianter Biographie” werden ihm nun von den Bullen verschiedene Texte zugeschrieben, die in den letzten Jahren in Frankreich von AutorInnenkollektiven teilweise im Selbstverlag, teilweise ganz normal über den Buchhandel herausgegeben wurden. Eines der in diesem Zusammenhang erschienenen Bücher, eine kleine braune Broschüre mit dem schlichten Titel “Aufruf” ist in deutscher Übersetzung auch in deutschen Infoläden zu finden und stellt im Anschluss an die Globalisierungsproteste die Frage nach der besten autonomen Organisierung gegen den “globalen zivilen Krieg”. Einer der wichtigsten Punkte: Die Ablehnung jeglicher Form repräsentativer Politik in Verbinding mit selbstOrganisation und direkten Aktionern. Das 2007 erschienene “L’insurrection qui vient” (Der kommende Aufstand“) gibt es scheinbar nur auf französisch, Auszüge lassen sich auf der Webseite des Verlags “Edition la Fabrique”, der sich öffentlich sehr solidarisch mit dem Hauptbeschuldigten Julien erklärt“ ( http://www.lafabrique.fr/article_livres.php3?id_article=215). Das Buch ist eine Auseinandersetzung mit dem Zustand der kapitalistischen Welt und mündet in Überlegungen, wie man sich dagegen organisieren kann. Einige Zeitungen vergleichen es mit dem kommunistischen Manifest (oder vielmehr wird festgestellt, aus einer heutigen Perspektive werde hier ein ähnlich umfassendes Programm entwickelt, wie es im 19-Jahhrhundert das kommunistische Manifest war. Eine der Kernideen ist die “Blockade der kapitalistischen Waren, Verkehrs und Informationsströme”, wobei in den Zeitungen und Politeimitteilungen vor allem ein Auszug interessiert: “Unsere Methode ist folgendes Sabotageprinzip: Geringes Aktionsrisiko, wenig Zeit und ein Maximum an Schaden (…). Wie macht man eine TGV-Linie, ein Elektrizätsnetz unbrauchbar? Wie findet man die Schwachpunkte eines Informationsnetzes, wie bringt man Radiowellen durcheinander, lässt Ferneseher krisseln?” Als einer der ersten prominenten Unterstützer hat sich neben dem Soziologen Luc Boltanski nun der Philosoph Agamben zu Wort gemeldet (französischer Artikel am Ende dieses Textes) und erklärt, dass neben den richtigen Gesellschaftsanalysen, die jetzt den Verhafteten zugeschrieben werden, sich auch die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Justizmaßnahmen stelle. Zugverspätungen, die ohne Gefährdung von Menschenleben umsichtig herbeigeführt wurden, als Terrorismus zu verfolgen, zeige den übergeschnappten Sicherheitswahn, wie er derzeit in Frankreich ebenso wie in Italien ausgelebt werde.

In die gleiche Richtung argumentieren übrigens auch die VerteidigerInnen der Beschuldigten Irène Terrel, Steeve Montagne, Cédric Alepée, Dominique Vallès und machen darauf aufmerksam, dass die Ermittlungsbehörden bisher keinerlei materiellen Beweise für eine Beteiligung der Verhafteten an den Hakenkrallenanschlägen vorgelegt hätten. Anzuprangern ist auch, dass den Eingekerkerten ihre konsequente Aussageverweigerung nachteilig ausgelegt wird.

copy/ paste von http://de.indymedia.org/2008/11/233476.shtml