Am Dienstag, den 5. Mai um 14 Uhr wurde Tessa, eine Genossin, die sehr aktiv ist in einem Unterstützungskomitee, in Paris auf offener Strasse festgenommen. Die Polizei kettete sie am Lenkrad ihres Autos fest und vertrieb die Person, die sie begleitete. Dann fuhren sie mit unserer Genossin davon. Sie wurde zum Büro der SDAT [1] gebracht und dort unter dem Anti-Terrorismus Regime festgehalten (96 Stunden Haft, AnwältIn nach 72 Stunden).
Diese rüde Aktion soll diejenigen einschüchtern, die sich gegen die Anti-Terror Maßnahmen und für die Unterstützung der Gefangenen in Paris und anderswo organisieren. Die Polizei rechtfertigte diese Festnahme damit, dass Tessa dem »harten Kern« der Gruppe aus Tarnac »nahestehe« und um die Farm Goutailloux »gravitiere«. Nicht nur, dass die Justiz nach wie vor an ihrem dummen Konstrukt und den polizeilichen Kategorien, die damit einher gehen, fest hält: »Zelle«, »Einflusssphäre«, »harter Kern«, »Kreis« und »Mitglied«; sie haben zudem die Absicht, diese künftig auch auf diejenigen auszuweiten, die nah bei ihren der Untersuchung unterworfenen FreundInnen bleiben. Die juristische Kontrolle hindert diese FreundInnen daran einander zu sehen, zueinander zurückzukehren. Die neue Aktion der SDAT sagt ihnen darüber hinaus: »Eure gemeinsamen FreundInnen werden künftig als Kommunikationswege zwischen euch erachtet und damit als Mitglieder in der gleichen Vereinigung von ÜbeltäterInnen; falls ihr sie seht, können wir sie festnehmen.« Für die Anklageführung erweist sich diese Sichtweise, die es erlaubt Leute zu verfolgen ohne ihnen die Teilnahme an kriminellen Handlungen zuschreiben zu müssen, als sehr nützlich.
Wir sehen, wie diese Angelegenheit sich entwickelt: An einem Tag wird Eric Hazan – Verleger des Buches Der kommende Aufstand – 4 Stunden lang verhört, an einem anderen wird ein Mitglied eines Unterstützungskomitees von der Strasse weg festgenommen. Der Zweck der Operation ist klar: Einerseits banalisiert sie die Vorladungen vor Gericht, dass Leute über lange Zeit und ohne jede Bedeutung festgehalten werden; zum anderen produziert sie einen gewissen Medienrummel, um die Leute glauben zu machen, dass in der Angelegenheit Fortschritte gemacht werden – dabei hat alle Welt verstanden, dass sie nicht nur auf der Stelle treten, sondern dass die Sache niemals irgendwohin führen wird.
In jedem öffentlichen Statement der Beschuldigten, ihrer AnwältInnen und ihrer UnterstützerInnen will die Anklage – Innenminister, RichterIn, PolizistIn oder ExpertIn – ihre oder seine »exklusiven« Elemente oder andere Pseudo-Beweise darin erkennen – die in Wahrheit keinerlei juristischen Wert haben und die, aus dem Kontext gerissen, zu Propagandazwecken benutzt werden. Davon abgesehen: Worum drehen sich generell die richterlichen Befragungen und Untersuchungen? Heute, in diesem Stadium der Untersuchung ist es Der kommende Aufstand: Wer den Text wann und zu welchem Zweck geschrieben hat. Mehr als die Worte aber ist es seine Resonanz mit der gegenwärtigen explosiven Situation, die für die Macht störend wird.
Zum Teil als Resultat einer spontanen Reaktion, die zur Gründung einer gewissen Anzahl an Unterstützungskomitees überall in Frankreich führte, wird immer mehr Solidarität in der Öffentlichkeit laut, sogar in den Seiten der Zeitungen. Richter Fragnoli ist es egal; ein Jahr nach Beginn der Ermittlungen und sechs Monate nach der Inhaftierung von Julien hat er noch immer keine Angst sich damit lächerlich zu machen, immer wieder mal irgendwen festnehmen zu lassen, obwohl er sie unvermeidlich wieder freilassen muss. Wir werden in einigen Wochen eine praktische Antwort auf diese Manöver geben.
Wir sind Euch egal? Wir werden Euch nicht mehr lange egal sein. [2]
Danke.
[1] zentrale staatliche Anti-Terrorismus-Abteilung in Frankreich
[2] Erklärung der revolutionären Sans-Culottes der Rue Mouffetard an den Konvent am 9.12.1792