Kollektives Statement der Delegierten von 30 Unterstützungskomitees vom März 2009, Limoges
Der Versuch ist gescheitert. Wir haben keine Angst vor »anarcho-autonomen« TerroristInnen, die internationale Netzwerke knüpfen. Diese Invasion – so brutal und grob – der politischen Polizei bringt uns dazu unsere Bitterkeit in Worte zu kleiden, um unsere Isolation zu verlassen.
Am Tag nach den Verhaftungen sprossen die Unterstützungskomitees wie die Krokusse aus dem Tau. Die Ansteckung verbreitete sich ohne Absprachen oder Machtwort: Konzerte, Debatten, Treffen, abendliche Events… Überall brachte die Unterstützung dutzende, hunderte Leute zusammen.
Der Versuch ist gescheitert. Vielleicht war er zu plump. Niemand wollte glauben, dass diejenigen, die beschuldigt werden den TGV unterbrochen zu haben blutrünstige Brutalos sind, die zu schrecklichen Attentaten anstiften. Die Tarnac Affaire war ein Auslöser. Weil wir vergessen hatten, dass politische Feinde so behandelt werden, vergessen, dass gewisse radikale Absichten offiziell in eure Gefängnisse führen können. Wir wussten nicht, dass diejenigen, die in euren Augen solch eine große Gefahr darstellen in einer fantastischen Einflusssphäre isoliert werden können. Statt dessen haben wir gefühlt – von vielen Orten, epidermisch – dass etwas nicht stimmt. Und wenn die Verhaftungen einen Willen zum Terrorisieren offenbarten, dann nicht auf Seiten der Angeklagten. Überall gab es eine eigentümliche Resonanz auf die Affaire, und das ist es, was uns beschäftigt.
Wir spüren sehr gut, dass diese Unterstützung existiert – nicht nur in der Anzahl der Unterschriften unter einer Petition – sondern auch in den amüsierten Blicken der Vorbeigehenden, die eine heftige Auseinandersetzung zwischen der Polizei und einer Gruppe junger Leute beobachten und dabei heimlich wünschen, dass letztere gewinnen; in den mißgünstigen Blicken derjenigen die in ihrem Büro auf ein anti-soziales Pamphlet schauen, das in einer Verwaltungsanweisung verborgen ist; in der diskreten Geste des Verwalters, der den Text verbirgt, der es rechtfertigen würde ihn oder sie des Landes zu verweisen; in der Entschlossenheit derer, die ihre Bosse festsetzen und mit der Wiederaneignung der Güter begonnen haben; und in der Spannung, die von jetzt an systematisch am Ende jeder öffentlichen Demonstration zu Tage tritt. Die »Tarnac Affaire« ist ein wirksames Prisma, das unsere Epoche und die Kämpfe, die sie durchziehen verdeutlicht. Daher sollten die vorangegangenen – diskreteren – Verhaftungen mit weniger Gleichgültigkeit betrachtet werden. So wird klarer, welchem Zweck die Anti-Terrorismus Gesetze dienen. Und die Datenbanken – dass es seinen Preis hat zu verlangen aus ihnen entfernt zu werden und was es kostet zu akzeptieren, ihnen unterworfen zu sein. Was diffus in der Luft lag kristallisiert sich dort derart, dass es sehr schwierig geworden ist, nicht Partei zu ergreifen.
Wir erkennen die Notwendigkeit der Regierung in solch einer explosiven Epoche die Figur eines inneren Feindes zu erfinden. Wir erraten im Hintergrund den Albtraum eines Systems, das den Boden unter den Füßen verloren hat: Wo die BürgerInnen von gestern aufhören, das Spiel zu spielen, die etablierte Ordnung zurückweisen und sich entsprechend selbst organisieren. Es gibt, endlich, Legenden, an die zu glauben wir auf unserem Weg aufgehört haben. Wie kann sich jemand heute nicht den RebellInnen nahe fühlen, welche die Notwendigkeit ernst genommen haben sich kollektiv zu organisieren? In dieser Zeit, in der das am meisten Geteilte die Bitterkeit ist und das Gefühl, am Leben vorbei zu laufen – wie kann mensch da nicht eine Komplizenschaft fühlen mit denen, die suchten sich der sie umgebenden Traurigkeit zu entziehen und gegen die Ursachen zu kämpfen?
Wie nicht in ihrem Mißtrauen das Echo dessen wahrnehmen, was wir alle fühlen? Ohne die Verhaftungen des 11. November wäre Der kommende Aufstand vielleicht nie gelesen worden – in jedem Fall nicht kollektiv und ohne Zweifel nicht in einer derart offensichtlich praktischen Perspektive – all die Diskussionen, Aktionen und Treffen hätten vielleicht niemals statt gefunden.
Wir spüren die Kraft und die Freude im Teilen unserer Zweifel und unserer Wut, und wir sehen, wie die »Banden« gebildet werden, die eure jüngsten Gesetze nicht aufzulösen vermochten. Wir sehen wie die Verhaftungen, die aus mehr oder weniger überflüssigen Motiven aufeinanderfolgen, den panischen Reflex einer verwirrten Macht enthüllen. Auch halten sie uns nicht von viel ab. Andere Leute sind derzeit aus ähnlichen Gründen wie die aus Tarnac im Knast. Einige von ihnen sind wieder eingesperrt worden, weil sie das Verbot einander zu sehen nicht pedantisch genug respektierten. Die juristische Kontrolle, die erzwungene Zerstreuung all der sich organisierenden FreundInnen vervielfacht sich. Eure Gefängnisee, und alle, die ihr jemals bauen könnt, werden niemals ausreichen, um all jene einzusperren, die eure Normen hinter sich lassen. Und wo immer wir sind knüpfen wir Bande der Solidarität. In dieser Zeit der Krise und der Auseinandersetzungen sind wir nur eine Stimme im Chor derjenigen, die sich nicht länger mit popeligen Reformen abspeisen lassen. In allen Bereichen des Territoriums, in allen Gruppen der Menschen ist der Kitt des Systems erschüttert. Loslösung wird überall zu einem praktikablen Weg. Und das ist gut.
Nichts in dem was ihr den »Tarnac 9« zuschustern wolltet, tröstet uns mehr als festzustellen, dass – für euch – auf jeden Fall andere und zahlreichere Bedrohungen entstehen als diejenigen, die ihr erfunden und heraufbeschworen habt. Wir empfinden nicht länger Unverständnis wenn wir den Faden dieser Affaire zurückverfolgen. Aber zu verstehen wie diese Logik funktioniert besänftigt uns nicht. Es macht uns wütender. Die Beschuldigungen müssen aufgehoben werden, genauso wie das ganze Arsenal an Anti-Terror, Anti-Banden, Anti-Vermummung und Anti-Versammlungsgesetzen, das darauf zielt jegliche effektive Solidarität zu brechen. Im Mai werden die Unterstützungskomitees in allen Städten, in denen sie existieren, ihre Initiativen vervielfältigen. Am 8. Mai wird es öffentliche Versammlungen gaben, um überall die Frage in den Raum zu werfen, wie wir am besten auf die Situation reagieren können, die uns bereitet wurde. Es gilt nicht neun Leute zu retten, sondern eine Ordnung zu stürzen.