Auch in Hamburg gab es heute eine Zeug_innenvorladung zum Terrorismusverfahren „Tarnac9“.
Ca. 70 Menschen zeigten ihre Solidarität vor dem Amtsgericht mit der Zeugin, die von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch machte.
November 2008: Ein neuer Castortransport nach Gorleben steht an. Wie schon so oft beidseitig der Grenze begleitet von zahlreichen unterschiedlichen Aktionen des Widerstandes und zivilen Ungehorsams – und von einer unerbittlichen Staatsmacht.Nach Hakenkrallenwürfen auf Oberleitungen verschiedener TGV-Strecken versucht letztere seit dem in Frankreich diese als terroristische Anschläge umzudefinieren. Denn mit rechtsstaatlichen Mitteln konnten bisher keine Erfolge erzielt werden. So wurden aus gesellschaftlich Aktiven ganz schnell eine terroristische Vereinigung. Neben der öffentlichen Stigmatisierung eröffnete dies auch neue Wege für Ermittlungen: Razzien und Festnahmen in dem kleinen Ort Tarnac waren die Folge, ein passender Name war auch schnell gefunden („die unsichtbare Zelle“), ein „Anführer“ ausgemacht – und so aus einem kleinen Fall von Sachbeschädigung ganz schnell ein „autonomes Terrornetzwerk“ gemacht. (siehe auch „Sind Zugverspätungen Terrorismus?“ http://de.indymedia.org/2008/12/234681.shtml )
Mehrere Monate später mussten die Gefangenen inzwischen alle rausgelassen werden und noch immer fehlen Beweise für dieses Terrornetzwerk. Die Ermittlungen gehen unterdessen weiter – auf internationaler Ebene. (siehe auch Durchsuchungen in Brüssel: http://de.indymedia.org/2008/12/234557.shtml ) Amtshilfeersuchen werden erlassen, Informationen angefordert, Zeug_innen gesucht – aber vor allem Konstrukte, um durch internationale Kontakte ein „internationales autonomes Terrornetzwerk“ auszumachen. Denn der Terrorismusparagraph in Frankreich ist ähnlich dehnbar wie der deutsche: Aus Zeug_innen werden ganz schnell Mitwisser_innen gedeutet und landen selbst auf der Anklagebank. Selbst so banales Wissen wie „Ja, den/die kenne ich“ wird zu einer Einladung an die Behörden, ein/e neue potentielle Terrorist_in ausgemacht zu haben.
So entschied auch die heute in Hamburg geladene Zeugin, der Praxis der Ermittlungsbehörden eine Absage zu erteilen und die Aussage nach §55 Aussageverweigerungsrecht zu verweigern. Sehr zum Ärger des extra angereisten obersten französischen Ermittlungsbeauftragten dieses Falles und seiner mitgebrachten 5 Beamt_innen. Noch mehr ärgerte diese Delegation aber wohl, dass nicht nur der Richter sondern sogar der Staatsanwalt der anwaltlichen Erklärung zur Aussageverweigerung Recht gab.
Ob sich die Reise für die französischen Ermittler_innen gelohnt hat darf bezweifelt werden: Bereits gestern verliefen zwei Vorladungen in Berlin ähnlich (siehe http://de.indymedia.org/2009/07/256301.shtml). Bei einem der Menschen in Berlin wurde allerdings ein Beugegeld vom 800 Euro verhängt – trotzdem keine Aussage bekommen. Im Gegensatz zu dem gestrigen Vorladungsmarathon, der sich über Stunden zog, konnte die Zeugin die Anhörung bereits nach einer Stunde verlassen. Draußen wurde sie von einer Mahnwache jubelnd empfangen, welche trotz des starken Regens seit 2 Stunden dort ihre Solidarität mit allen Aussageverweiger_innen zum Ausdruck brachten.
Mehr Infos: Soligruppe zu den Tarnac9: http://tarnac9.noblogs.org/ Castortransport 2008: http://de.indymedia.org/2008/11/231032.shtml Was ist eine Hakenkralle: http://de.wikipedia.org/wiki/Hakenkralle
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