Aus dem Mittelgebirge des Limousin

Diesen Sommer trafen sich 200 Leute für eine Woche in Tarnac. Aus ihren Diskussionen entstand, unter anderem, folgende Erklärung

Er steht auf und sagt: „Aufstandsbekämpfung ist nicht nur die Einsatzdoktrin der westlichen Armeen in Afghanistan, sie ist die eigentliche Natur jeder Regierung. Das In-Umlauf-Bringen von diesem oder jenem Element der Sprache, des Urbanismus, der organisierten Zerstreuung, der Fabeln der Wirtschaft, alles entspringt der Befürchtung, die Kontrolle über die Bevölkerungen zu verlieren.“ Sie antwortet: „Bei uns hat die Regierung derart Angst, dass die Leute in der Krise anfangen, sich selbst zu organisieren, dass sie die Arbeitslosen zwingt kostenlose Fahrradwerkstätten zu betreiben, gebrauchte Gegenstände zu recyclen und mit der Polizei zu patrouillieren. Das Gebiet wird präventiv besetzt.“
Einige Stunden danach, eine Ofenladung Brot später, ein weiterer: Continue reading „Aus dem Mittelgebirge des Limousin“

Der kommende Aufstand

Ein Aufstand, wir können uns nicht mal mehr vorstellen, wo er beginnt. Sechzig Jahre der Befriedung, ausgesetzter historischer Umwälzungen, sechzig Jahre demokratischer Anästhesie und Verwaltung der Ereignisse haben in uns eine gewisse abrupte Wahrnehmung des Realen geschwächt, den parteilichen Sinn für den laufenden Krieg. Es ist diese Wahrnehmung, die wir wiedererlangen müssen, um zu beginnen.

Warum eine deutschsprachige Ausgabe?
Bevor wir uns daran machten „L‘insurrection qui vient“ zu übersetzen, waren wir eigentlich der Meinung, es nicht zu tun. Im Grunde dachten wir, dass dieses Buch zu speziell auf die französische Situation zugeschnitten ist, in den Beispielen wie in der Schwerpunktsetzung. Warum haben wir es trotzdem getan?

Der wichtigste Grund ist wohl, dass wir es satt haben, politische Pamphlete zu lesen, die sich mit der Darstellung der schlechten Verhältnisse begnügen, ohne konkrete Schritte zu ihrer Aufhebung in die Diskussion zu werfen. „Der kommende Aufstand“ beschreibt die bröckeligen Fundamente der gegenwärtigen Ordnung nicht, um aufzurütteln oder Therapien zu ihrer Rettung vorzuschlagen, im Gegenteil. Die Zerbrechlichkeit der verschiedenen Aspekte dieser Welt der Domestizierung und Vernutzung, ihre neusten Transformationen werden nur durchgespielt, um endlich ihre Zerstörung konkret ins Auge zu fassen. Die Selbst-Zurichtung der Individuen, die sich mit Pillen im Rennen der Vermarktung halten, die Gewöhnung schon der Kleinsten daran, dass ihr Leben in der Selektion für eine Arbeitswelt bestehen wird, deren einziger Zweck der Erhalt des Hamsterrades selbst ist; der Angriff auf unser Leben wird nur geschildert, damit wir uns darin erkennen und dagegen in Stellung bringen können. Die Rundreise durch das trostlose Existieren der Metropole ist Aufklärung nicht im mythischen, sondern im militärischen Sinne: die Klärung eines gemeinsamen Ausgangspunktes, der operativen Bedingungen einer Real-Exit-Strategie aus der globalen Misere, und nicht zuletzt der praktischen Hebel, die uns in diesem Kampf zur Verfügung stehen. Continue reading „Der kommende Aufstand“

Prevention – or how to arrest people before they have done anything

Analysis of the current resources of repression and the interview in Le Figaro, on June 29th.

On June 29th, we learn about 3300 men and women work “to fight terrorism”, attack on national security and on economical capital”.
The DCRI have been created on July 2008, by a fusion between the DST (Direction of territory Surveillance) and the RG (General Intelligence). Practically, information is shared between different teams, and tend to bring justice and police, police and military matters together.

When answering to the question “what is your conclusion after two years of work”, the director informs us that the “must” of his work, is to “investigate months long, even years, to prevent the action”.
Indeed, the last arrests and anti-terrorist cases confirm this position. Arresting people accusing them of an action they haven’t committed yet, is a strategy used to put pressure on them and to isolate them. Continue reading „Prevention – or how to arrest people before they have done anything“

Ihr hättet uns nicht in den gleichen Knast sperren sollen!

Analyse eines Genossen aus Villiers-le-Bel, der im gleichen Knast eingesperrt wurde wie ein Genosse im „Tarnac-Fall“.

Fallait pas nous mettre dans la même prison!

„Villiers-le-Bel“ und „Tarnac“ – zwei Namen die für juristische, politische und mediale Offensiven des französischen Staates stehen. Sie dienen zur Untermauerung der Idee „Gefahr im Inneren“, sowie zum Präsentieren der Lösung eines einzig fähigen Staates zum „Schutz“ der „Bevölkerung“ – die soviel gar nicht verlangte – vor den „bandes de cité“ (Vorstadtbanden) und den so genannten „anarcho-autonomes“.

Für diese beiden Ereignisse wurden zahlreiche Polizeikräfte und diverse wissenschaftliche Mittel der Polizei, wie Fichierung und Überwachung, sowie neue Aufstandsbekämpfungstechniken verwendet. Nach dem Kennenlernen einiger Betroffener dieser juristischen Vorstellung, wollen wir hier versuchen der Art dieser Einsätze näher zu kommen und Mittel erörtern, um ihnen entgegen zu treten. Continue reading „Ihr hättet uns nicht in den gleichen Knast sperren sollen!“

Why We Will No Longer Respect the Judicial Restraints Placed Upon Us

Translation of statement that appeared in “Le Monde,” 3 December 2009.

The arrest of Christophe on 27 November [2009] marks a [new] stage in the mad governmental fit that one has modestly called “the Tarnac Affair.” His arrest situates the point at which this procedure only proceeds so as to save itself: they have indicted one more person in the sole hope of maintaining the others.

As part of the “first circle,” Christophe belongs to the small group of people with whom we discuss our defense. The judicial controls that would like, from now on, to prevent him from seeing us is one aberration too many. It is also a conscious attempt to disorganize the defense. At this point, when all notions of what is lawful are twisted, who could still demand that we continue to respect these judicial controls and this demented procedure? Absurd. There is no need to see yourself as above the law to ascertain that the law is beneath everyone. Besides, a society that maintains itself by means that are so obviously criminal has no business bringing charges against anyone.

Freedom under judicial control is the name for a sort of mystical experience that anyone can have. Continue reading „Why We Will No Longer Respect the Judicial Restraints Placed Upon Us“

Die Beschuldigten von Chambéry: Mike ist aus dem Haftkrankenhaus entlassen worden und unter Auflagen in Freiheit!

Vor einigen Wochen konnte man in allen [französischen] Medien von der "tödlichen Explosion in der Nähe von Chambéry" lesen und hören. In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai ist in Cognin (in den Savoyen) ein selbstgemachter Sprengsatz in einer stillgelegten Fabrik zufällig hochgegangen.

Es handelte sich um einen leeren Feuerlöscher, der als Behälter für eine Mischung aus Soda-Chloraten (industrielles Unkrautvernichtungsmittel) und Zucker diente, eine Mischung, wofür sich das Rezept leicht im Internet finden lässt. Jedes Jahr gibt es mehrere Dutzend solcher zufälliger Explosionen bei zukünftigen Chemikern in ganz Frankreich. Ein Vorfall diesen Typs ist kürzlich in einem Studierendenwohnheim im 7. Arrondissement in Lyon passiert Continue reading „Die Beschuldigten von Chambéry: Mike ist aus dem Haftkrankenhaus entlassen worden und unter Auflagen in Freiheit!“

Bericht SDAT November 2008

Wir dokumentieren an dieser Stelle den "Bericht der Unterabteilung ‚Antiterrorismus‘ der Generalabteilung der Kriminalpolizei [SDAT] für den Staatsanwalt / Generalanwalt von Paris" von November 2008. 1000 Dank den ÜbersetzerInnen.

Die französische Version gelangte über einen Journalisten an die Öffentlichkeit. Die Bullen stellen in diesem Text die "Fakten" aus ihrer Sicht dar. Behaltet dies also beim Lesen im Hinterkopf und nehmt nicht alles für bare Münze!
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Hakenkrallen „Made in Germany“?

Matthias Monroy

Wie in Deutschland wurden auch in Frankreich Oberleitungen von Bahnlinien mit „Hakenkrallen“ präpariert. Ermittelt wird wegen Terrorismus

In den frühen Morgenstunden des 11. November letzten Jahres hatten Spezialeinheiten der französischen Polizei landesweit mehrere Objekte durchsucht und neun Personen festgenommen. Den Betroffenen dieser „Operation Taiga“ wird vorgeworfen, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein. Einige von ihnen sollen wenige Tage zuvor mit sogenannten „Hakenkrallen“ an Oberleitungen von Bahnlinien versucht haben, Züge zum Halten zu zwingen.

Im Dörfchen Tarnac im Südwesten Frankreichs, wo die Verhafteten zusammenleben, hatte die maskierte Polizei Fotografen und ein Fernsehteam zur Razzia mitgebracht. Die Reporter präsentierten den geneigten Zuschauern die vermeintlichen Verantwortlichen für stundenlange Zugverspätungen der Hochgeschwindigkeitszüge TGV im Frühstücksfernsehen. Trotz fehlender Beweise und bestenfalls dürftigen Indizien dauerte es beinahe sieben Monate, bis mit Julien Coupat der letzte der Beschuldigten vorläufig aus der Haft entlassen wurde. Continue reading „Hakenkrallen „Made in Germany“?“

Zu den Festnahmen wegen „Hakenkrallen“ in Italien

Am 3. Juni, fünf Tage vor Beginn des G8-Gipfels, hatten Carabinieri der "Sektion Anti-Terrorismus" (ROS) zwei italienische Aktivisten in einer "Operation Shadow" auf einer Brücke festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen, einen Anschlag mit "Hakenkrallen" auf die Bahnlinie Viterbo – Ancona geplant zu haben. In der Presse wurden sie als Teil einer "anarcho-insurrektionalistischen Vereinigung" mit Nähe zur "Federazione Anarchica Informale" (F.A.I.) bezeichnet. Mindestens gegen 37 andere wird wegen "subversiver Vereinigung mit terroristischer Zweckgebung" ermittelt. Es hat 40 Durchsuchungen gegeben, bei den beiden Verhafteten soll belastendes Material im Auto gefunden worden sein. Gegen sie wird nun wegen "subversiver Assoziation" und "schwerem Eingriff in die Transportsicherheit mit terroristischem Motiv" ermittelt.
2004 gab es ähnliche Sabotageakte auf Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecken in Norditalien. Wie bei dem jüngsten Anschlag sollen die nächtlichen Aktivisten laut Polizei einer Bauanleitung aus einem Handbuch "To Each His Own: 1,000 Ways to Sabotage the World" gefolgt sein.
Die Nachricht von der Festnahme fand auch in zahlreichen französischen Medien Beachtung. Dabei kam heraus, dass es sich keineswegs wie zuvor vermutet um einen Zufallstreffer handelt, sondern die Verdächtigen seit 16 Monaten überwacht wurden nachdem sie angeblich an einer Bahnstrecke gesehen worden waren. Continue reading „Zu den Festnahmen wegen „Hakenkrallen“ in Italien“

Zeugenvorladungen in Berlin wegen Hakenkrallen in Frankreich

Zum 16. Juli hatten zwei Berliner Autonome, zum 17. Juli eine Hamburgerin, eine richterliche Zeugenvorladung erhalten. Im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens des Tribunal de Grande Instance de Paris wurden sie aufgefordert, in einem französischen Ermittlungsverfahren gegen neun GenossInnen (Tarnac 9) als ZeugInnen auszusagen. Im November 2008 wurden neun Personen in Frankreich nach Sabotageaktionen am Schienennetz anlässlich eines Castortransports und der Streiks im Bahngewerbe aufgrund des französischen Anti-Terror-Paragrafen verhaftet.
Anlässlich der Zeugenvorladungen in Deutschland wurde an diesen Tagen in Berlin und Hamburg zu Kundgebungen mobilisiert. Continue reading „Zeugenvorladungen in Berlin wegen Hakenkrallen in Frankreich“