derStandard: Autonome verübten Anschläge auf TGV

Die mysteriösen Sabotageakte auf TGV-Züge haben offenbar politische Motive: Die französische Polizei verhaftete am Dienstag an mehreren Orten zehn Mitglieder einer Anarcho-Gruppe

Betonplatten auf den Gleisen, Schüsse auf Stromkästen – viele Reisende stiegen in Frankreich in der vergangenen Zeit mit einem mulmigen Gefühl in den TGV. Nun wurden die Verantwortlichen für die Sabotageakte ausgeforscht.

Wie die französische Innenministerin Michèle Alliot-Marie bekanntgab, nahm die Polizei zehn jüngere Leute, darunter drei Frauen, an verschiedenen Orten des Landes fest. Die Verdächtigen gehören laut der Ministerin zu einer "ultralinken Gruppe aus der Anarcho-Autonomen-Szene" . Die französische Antiterrorpolizei SDAT hatte sie im zentralfranzösischen Ort Tarnac, wo sie einen Bauernhof und Lebensmittelladen betrieben, seit Monaten beschattet. Aufgrund dieser Vorarbeit war es nun möglich, nach nur dreitägigen Ermittlungen zuzuschlagen. Außer in Tarnac kam es auch in Paris und Rouen, Corrèze zu Festnahmen und Hausdurchsuchungen.

In Frankreich löste die Meldung über die Verhaftung zuerst Erleichterung aus. In der Nacht zum Montag war ein aus Brüssel kommender Superschnellzug in Südfrankreich über zwei Betonplatten gerast, die Unbekannte auf die Schienen gelegt hatten. Der TGV entgleiste nicht und von den hundert Passagieren wurde niemand verletzt, auch wenn der Aufprall die Lok beschädigte.

Stundenlange Verspätungen

Zwei Tage zuvor hatten Schienenwärter im Norden, Osten und Südosten Frankreichs an Oberleitungen der Bahn große Eisenhaken entdeckt. Der Zugverkehr musste großflächig eingestellt werden; Zehntausende Reisende in 160 TGV-Zügen mussten mehrstündige Verspätungen hinnehmen. Eine Woche vorher hatten Unbekannte auf eine Stromanlage geschossen und dadurch ebenfalls Monsterverspätungen ausgelöst.
Nach den Sabotageakten vom Wochenende schaltete die französische SNCF, die zuerst von Vandalenakten ausgegangen war, den Inlandsgeheimdienst DCRI und Anti-Terror-Einheiten ein.

In die erste Erleichterung mischt sich nun aber die Sorge um mögliche politische oder gar terroristische Motive. Offenbar bewahrheitet sich die Annahme der Polizei, dass sich die wenigen Autonomen in Frankreich zunehmend radikalisieren. Alliot-Marie sprach von der Möglichkeit eines "linksextremen Terrorismus", ohne genauere Angaben über die Motive der Verhafteten zu machen. Sie meinte nur, es bestünden Verbindungen zu ähnlichen Gruppen in Deutschland, England, Italien, Belgien und Griechenland. Geheimdienstexperten fragen, ob deutsche Autonome nicht beteiligt sein könnten. AKW-Gegner hatten in den vergangenen Tagen – auf allerdings friedliche Weise – versucht, einen Atomtransport aus La Hague (Normandie) ins deutsche Gorleben (siehe Artikel rechts unten) zu verhindern.

In Frankreich sollen einige der Verhafteten 2007 bei Mittelschuldemonstrationen durch gewalttätige Handlungen aufgefallen sein, hieß es aus Ermittlerkreisen. Ein Autonomer sei im selben Jahr während der Präsidentschaftswahlen festgenommen worden, als er reihenweise Autos angezündet habe. Auch die Wahl von Nicolas Sarkozy zum Staatschef soll "Extremisten aller Schattierungen" veranlasst haben, in Aktion zu treten, hieß es aus Geheimdienstkreisen.

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