Neues aus der Taïga 15.1.2009

Neue Festnahmen in Frankreich – Yldune trotz angeordneter Entlassung im Knast

Zwei Personen, darunter eine Anwältin, sind am Mittwoch in Paris von der "Anti-Terror-Polizei" verhaftet worden. Gegen die 28- und 30jährigen würde bereits seit geraumer Zeit ermittelt, weil sie Beziehungen zu den "Tarnac9" hätten, so die Polizei. Einer hätte sogar – schlimm schlimm – aktiv seine Unterstützung für Julien Coupat ausgedrückt, die andere in einer UnterstützerInnengruppe mitgearbeitet. Die beiden wurden festgenommen, behauptet die Polizei, als sie betrunken dabei gewesen seien Autos anzuzünden.  Ob sie im Rahmen der Repression gegen die Tarnac9 auch observiert wurden, ist nicht bekannt.
Ebenfalls am Mittwoch hatte der Haftrichter verfügt, dass Yldune unter Auflagen freizulassen ist. Jedoch hat die Staatsanwaltschaft, wie schon bei Julien, ein Dringlichkeitsverfahren angestrebt welches die Entlassung zunächst aufhebt. Einen ersten Antrag auf Freilassung hatte sie bereits am 22. Dezember gestellt. Wann eine endgültige Entscheidung getroffen wird bleibt zunächst unklar. Siehe hierzu auch den Artikel von Maître Eolas (über Freiwillige für die Übersetzung freuen wir uns!).

Benjamin: Offener Brief‭ ‬an alle,‭ ‬die die Angeklagten vom‭ ‬11.‭ ‬November unterstützen‭

Hallo zusammen

Nach drei Wochen durchatmen,‭ ‬nachdenken und intensivem Lesen von allem,‭ ‬was zu diesem Fall geschrieben wurde,‭ ‬während wir im Knast waren,‭ ‬nehme ich nun‭ ‬diesen Brief in Angriff.‭ ‬Denn vor etwas mehr als drei Wochen bin ich ein wenig verstört aus dem Knast von Fresnes entlassen worden.‭ ‬Angesichts einer so wohl inszenierten Operation hatte ich schon gar nicht mehr erwartet,‭ ‬so bald frei zu kommen.‭ ‬Natürlich war es eine riesige Erleichterung,‭ ‬wieder draussen zu sein‭; ‬der Knast wird so schnell zum Alltag,‭ ‬dass man fürchtet,‭ ‬sein ganzes Leben hinter Mauern und Gittern verbringen zu müssen,‭ ‬und das Eingeschlossensein‭ ‬wirkt wie eine Ewigkeit,‭ ‬auch wenn es schliesslich nur zwei oder drei Wochen waren.‭ ‬Ich‭ ‬möchte allen,‭ ‬die sich für unsere Freilassung eingesetzt haben,‭ ‬ganz herzlich danken.‭ ‬Ich bin sicher,‭ ‬dass der Druck,‭ ‬der aufgebaut wurde‭ (‬von den Unterstützungskomitees,‭ ‬den Eltern,‭ ‬den Freunden und allen,‭ ‬die sich‭ ‬von diesem Fall betroffen fühlen‭)‬,‭ ‬trotz der Willkür der Justiz auf irgend eine Art dazu beigetragen hat.‭  ‬Natürlich hätte ich diesen Brief lieber zusammen mit meinen mitangeklagten Freunden und Genossen verfassen wollen‭ ‬– aber wie ihr‭ ‬wisst,‭ ‬ist es uns‭ ‬unter Androhung,‭ ‬wieder im Knast zu landen,‭ ‬verboten,‭  ‬auf jegliche‭ ‬Art Kontakt miteinander zu haben.‭ Continue reading „Benjamin: Offener Brief‭ ‬an alle,‭ ‬die die Angeklagten vom‭ ‬11.‭ ‬November unterstützen‭“

Verhaftungen in Frankreich – Selber Terror!

Dies ist die überarbeitete und aktualisierte Version eines Textes von uns, welcher im stressfaktor (monatliches Heft mit Terminen von selbstorganisierten Veranstaltungen in Berlin) vom Januar 2009 erschienen ist.

Am 11. November 2008 führte die französische Polizei eine der größten Razzien der letzten Jahre in Frankreich durch. Dabei durchsuchte sie mehrere Gebäude und Wohnungen in Paris, Rouen, Limoges, Metz und Tarnac. Zehn Personen wurden verhaftet, eine Person – die Mutter einer Beschuldigten – wurde nach drei Tagen ohne Anzeige wieder freigelassen. Die übrigen neun werden inzwischen beschuldigt Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein, fünf von ihnen wird zusätzlich „gemeinschaftliche Sachbeschädigung mit terroristischem Ziel“ vorgeworfen.
Die Ermittler_innen beziehen sich hierbei auf Sabotageaktionen mit Hakenkrallen auf das Hochgeschwindigkeitszugnetz der SNCF im Vorfeld des Castortransportes im November 2008. Continue reading „Verhaftungen in Frankreich – Selber Terror!“

Frankreich – kein Waffenstillstand für den 11. November

Dieser Artikel erschien in der letzten Cette Semaine (Dezember 08, anarchistische Zeitung aus Frankreich). Er wirft einen kritischen Blick auf die Ereignisse vom letzten November – besonders anhand von Begriffen wie Solidarität, Repression und sozialen Kämpfen wie auch ihrer Verbindungen untereinander.

Was uns als Anarchist_innen besonders am Herzen liegt ist Kritik/Selbstkritik und ein solidarischer Umgang damit. Dementsprechend publizieren wir hier diesen kritischen Blick um Diskussionen anzuregen, Austausch zu ermöglichen und solidarische Auseinandersetzungen zu entwickeln die uns alle hoffentlich in unserem Kampf gegen die Gegenwart voranbringen können. Trotzdem sind wir ziemlich sicher, dass viele Leute die in diesem Text ausgedrückten Positionen als "unmöglich" oder "unsolidarisch" ansehen werden. Uns geht es aber genau darum auch hier in Deutschland zu zeigen, dass Wege der Solidaritätsarbeit vielfältig sind und dass z.B. der große Aufschrei nach Unterstützung von Medien oder Politiker_innen, wenn jemand einfährt, für uns gar keine vernünftige Möglichkeit als Anarchist_innen darstellt. Denn unsere Solidarität drückt sich auf der Straße aus, wo Leute kämpfen und direkte Aktionen stattfinden.

ABC Berlin Continue reading „Frankreich – kein Waffenstillstand für den 11. November“

Redebeitrag aus Hamburg

Die immer wiederkehrenden Erfahrungen mit Repression zeigen, dass es nur eine Frage der Zeit ist bis wir alle Kriminelle sind. Ein Beispiel:


Was ist passiert?

Am 11. November durchsuchte die französische Polizei in einem Überfallkommando mit Polizist_innen aus verschiedenen Einheiten (Nationalpolizei, Antiterroreinheit; Kriminalpolizei; Geheimdienst) mehrere Gebäude und Wohnungen in Limoges, Paris, Rouen und Tarnac. Allein im Ort Tarnac waren 150 von ihnen eingesetzt. Dabei wurden insgesamt zehn Menschen verhaftet. Continue reading „Redebeitrag aus Hamburg“

A Few Remarks on the Coupat Case

By Maître Eolas

I have been receiving a lot of email queries and other comments on the Coupat case, and more generally about the instances of sabotage on high-speed train lines that have been attributed to a far-left group and branded as terrorism.

What follows are just a few basic insights that I can provide as a legal professional. I have no access to any of the case evidence, and I will refrain from expressing an opinion on the responsibility of the persons arrested, although it is a bit surprising that some of them have been released while others are still in custody. But after all, the acts of sabotage reported did not require any elaborate infrastructure, so it is possible that only a few members were involved. Only time will tell.

Before discussing what has happened to Julien Coupat, a few words are in order about the legal background to the investigation. Continue reading „A Few Remarks on the Coupat Case“

Frankreich macht sich auf „Wiedergeburt der gewalttätigen Linken“ gefasst

Entgegen Behauptungen der Übertreibung beharren Regierungsberichte darauf, dass eine neue Generation von Extremisten bald für eine Reihe von Sabotageakten und Bomben sorgen wird.

Die französische Regierung befürchtet dieses Jahr eine Welle des linksextremistischen Terrorismus, in der es möglicherweise zur Sabotage an zentralen Infrastrukturen, Entführungen wichtiger Wirtschaftspersönlichkeiten oder sogar Bombenanschlägen kommen könnte. Continue reading „Frankreich macht sich auf „Wiedergeburt der gewalttätigen Linken“ gefasst“

Vorverurteilung durch Frankreichs Justiz

Keine Beweise gegen »Bahn-Terroristen«
Von Ralf Klingsieck, Paris

Von den neun Personen, die Mitte November unter dem Verdacht verhaftet wurden, durch Sabotageanschläge auf Oberleitungen der TGV-Hochgeschwindigkeitszüge eine Serie schwerer Havarien ausgelöst zu haben, sind nur noch zwei im Gefängnis. Denn die Beweislage ist dürftig.

Sieben Verhaftete mussten schon nach wenigen Tagen auf freien Fuß gesetzt werden, weil sich der Verdacht auf »Bildung einer terroristischen Vereinigung« und »lebensgefährliche Eingriffe in den Verkehr« nicht beweisen ließ. Auch für Julien Coupat und seine Freundin Yldune hatte ein Richter vor Weihnachten die Freilassung angeordnet, doch auf Weisung des Innenministeriums hat die Staatsanwaltschaft Einspruch eingelegt und inzwischen vor Gericht die Verlängerung der Untersuchungshaft durchgesetzt. Einziger »Beweis« gegen sie ist ihre Anwesenheit in der Nähe einer TGV-Strecke, an der einer der Anschläge verübte wurde. Das habe eine an ihrem Auto angebrachte Peilboje ergeben, denn das Paar wurde schon seit Monaten von der Polizei beobachtet. Die hat aber weder einen der Anschläge beobachtet noch verhindert. Continue reading „Vorverurteilung durch Frankreichs Justiz“

Terrorismus weltweit?

Belgien, Dänemark, Deutschland, Griechenland, Italien, Neuseeland, Österreich, Spanien, USA…… und Frankreich

Seit Janunar 2008 werden in Frankreich sechs Aktivist_innen mit Terrorismusvorwurf strafrechtlich verfolgt. Ivan, Bruno und Damien wurden am 19. Januar festgenommen als sie auf dem Weg zu einer Demonstration zum mittlerweile vollständig abgebrannten Abschiebeknast von Vincennes waren. In diesem war es in den letzen Monaten immer wieder zu Streiks und Revolten der dort inhaftierten Sans-Papiers gekommen, die mit Demonstrationen vor dem Gefängnis solidarisch unterstützt wurden. Continue reading „Terrorismus weltweit?“

Aufruf

Proposition I

Nichts fehlt zum Triumph der Zivilisation. Nicht der politische Terror, nicht die affektive Misere. Nicht die allumfassende Sterilität. Die Wüste kann sich nicht mehr ausbreiten: Sie ist überall. Aber sie kann sich noch vertiefen. Vor der Offenkundigkeit der Katastrophe gibt es jene, die sich empören, Und jene, die sie zur Kenntnis nehmen; jene, die denunzieren und jene, die sich organisieren. Wir sind an der Seite derer, die sich organisieren.

Scholium

DIES IST EIN AUFRUF. Das heißt, dass er sich an jene wendet, die ihn hören. Wir machen uns nicht die Mühe zu beweisen, zu argumentieren, zu überzeugen. Wir reden über das Offenkundige. Das Offenkundige ist nicht zuerst eine Frage der Logik, der Urteilskraft. Es ist an der Seite des Sensiblen, an der Seite der Welten. Jede Welt hat ihre Offenkundigkeiten. Das Offenkundige ist das, was wir teilen, oder was uns teilt.

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